1. Ausgangslage
Systemtheorie ist (in ihren vielen Spielarten) für viele
Organisationstheoretiker, Berater und Praktiker zum Modethema
geworden. Wenn hier heute von Systemtheorie gesprochen werden
soll, dann meine ich die Ideen, welche von Luhmann und seinen
Schülern entwickelt wurden. Ich habe in mehreren Dimensionen
mit dieser Theorie Probleme. Daß sie schwer zugänglich
ist und mir die Aneignung eines komplexen Begriffsapparats zumutet,
kann ich noch akzeptieren und kitzelt meinen intellektuellen Ehrgeiz.
Vielmehr sehe ich in dieser Eintrittsbarriere eine große
Gefahr für die Fruchtbarkeit der Theorie. Schwerer wiegt
allerdings, daß ich in Bezug auf mein Dissertationsvorhaben
den Nutzen der Theorie nicht abschätzen kann, da mich der
Luhmannsche Begriffsapparat im Dialog mit der Organisationspraxis
autistisch verstummen läßt.
Diese Arbeit verzichtet darauf, systemtheoretisch-korrekt (SK)
zu argumentieren, sondern schildert den Versuch, mit Einzelideen
der Systemtheorie im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis
fruchtbar umzugehen. Sie bedient sich dabei einem "gemäßigten
Methodenpluralismus", der sich durch wechselnde theoretische
Betrachtungsperspektiven seinem Beobachtungsgegenstand "Wissen
in Organisationen" annähern will. Sie stellt verschiedene
Ideen und Konstrukte meiner Dissertation vor und leitet daraus
Fragen an die Systemtheorie ab. Man könnte es auch anders
sagen: Ich bin offen für systemtheoretische Überlegungen,
möchte sie aber auf ihre praktischen Implikationen prüfen.
2. Wissensmanagement in Theorie und Praxis
Wenn wir auch keine reinen "Alteuropäer" mehr sind,
so bewegen wir uns doch als Wirtschaftswissenschaftler oder Organisationsberater
in einer alteuropäischen Organisationswelt. In dieser gehen
Personen davon aus, daß sie "Menschen" seien und
wenn ich Ihnen erzähle, daß ihr psychisches System
strukturelle Kopplungen mit autopoietisch operierenden sozialen
Kommunikationssystemen aufweist und sich ansonsten munter die
eigene Realität errechnet, schicken sie mich nach Hause.
Im Organisationsalltag gibt man sich unbekümmert der "illusion
of control" hin und empfindet die Realisierung strategischer
Ziele als persönlichen Erfolg und nicht als ex-post-Rationalisierung/Zuschreibung
des Zufälligen.
Die Möglichkeiten und Grenzen von gestaltender Intervention
bilden eine zentrale Fragestellung meiner Dissertation, die den
folgenden Titel trägt: "Die Organisation aus wissensorientierter
Perspektive: Möglichkeiten und Grenzen der Intervention in
die organisatorische Wissensbasis". Dieses Thema soll
im Dialog zwischen Theorie und Praxis abgearbeitet werden. Aber
warum gerade dieses Thema?
In der Organisationspraxis und -theorie wächst das Interesse
an der Auseinandersetzung mit dem Themenfeld "Wissen und
Organisation". Die Diskussion kreist dabei um wissensbezogene
Themen wie "collective mind" (Sandelands and Stablein,
1987; Weick and Roberts, 1993), "core-competences"(Prahalad
and Hamel, 1990; Hamel and Prahalad, 1989), Rolle von Experten
oder "knowledge-workers" in Organisationen (Knights
et al. 1993; Prietula and Simon, 1989; Starbuck, 1992), "innovation
networks" (Perry, 1993), "intangible resources"
(Hall, 1993; Hall, 1992), "learning curves" (Bohn, 1994;
Garvin, 1993), "organizational memory" (Cohen and Levinthal,
1990; Weick and Roberts, 1993; Walsh and Ungson, 1991; Kim, 1993),
"organisatorische Wissensbasis" (Strasser, 1994; Pautzke,
1989; Duncan and Weiss, 1979; Dodgson, 1993), oder "resource-based
theory" (Collis, 1991; Schulze, 1992; Grant, 1991). Ein beliebter
Anknüpfungspunkt vieler Autoren ist die Auseinandersetzung
mit "Organisatorischem Lernen"(OL), einem Thema, das
zunehmend auch in der Praxis diskutiert wird.
Nachdem wir uns z.Zt. auf dem Höhepunkt einer Publikationswelle
zum Thema OL zu befinden scheinen, wendet sich das Interesse in
der (oft durch OL-Konzepte verwirrten) Praxis auf die Bestände
dessen zu, was da verändert werden sollte, nämlich "Wissen".
Das Thema ist da, die Publikationsmaschine zum Thema "Knowledge-Management"
springt an (Kogut and Zander, 1992; Nevis et al. 1995; Strasser,
1994; Pawlowsky, 1994; Pfiffner and Stadelmann, 1995; Schüppel,
1994; Willke, 1995) und schon fragen die ersten Praktiker, was
ihnen die Beschäftigung mit diesem Themenfeld bringen kann.
3. Mein persönlicher Zugang zum Thema "Knowledge-Management"
In meinem speziellen Fall sind diese Praktiker verantwortliche
Manager in acht großen Schweizer Unternehmen. Sie arbeiten
im schweizerischen "Forum für organisationelles Lernen
und Wissensmanagement" mit. Dieses Forum hat das Ziel, die
Praxistauglichkeit von Ideen der genannten Forschungsfelder zu
diskutieren und in konkrete Projekte/Interventionen zu übersetzen.
Auf Dauer soll sich ein Netzwerk interessierter Praktiker und
Wissenschaftler bilden. Erste "Wissensprojekte" wurden
bereits definiert. Meine Aufgabe (und die Aufgabe meiner Mitstreiter)
besteht darin, das theoretisch vorhandene "Wissen" zu
diesem Thema zu sichten, zu gliedern und in eine Form zu bringen,
die es dem Praktiker ermöglicht, mit Interventionen in Richtung
"eines besseren Umgangs mit Wissen" anzuschließen.
Ich agiere daher als konzeptioneller Sparringpartner von "Problemlösern"
und nicht als Berater, der seine "Lösungskonzepte"
verkaufen will. Abstrakte Wissensdefinitionen sind dabei wenig
geeignet, eine erste gemeinsame Gesprächsgrundlage zu definieren.
Es schien daher zunächst besser, von einem "naiven"
Wissensbegriff auszugehen. Dieser soll im Gang dieser Arbeit konkretisiert
werden.
Meine Aufgabe besteht also darin, Konzepte, Methoden oder "frames"
zu entwickeln, mit deren Hilfe man über Interventionen in
die "organisatorische Wissensbasis" sprechen kann und
aus denen im zweiten Schritt Ansätze für zielorientierte
Interventionen abgeleitet werden können. So sollen Wissensabhängigkeiten
zwischen Individuen und dem System "Organisation" thematisiert
und verändert werden können. Damit muß ich mich
dem alten Nähe/Distanzproblem zwischen Theorie und Praxis
stellen, dem Dilemma jeder sozialwissenschaftlicher Forschung,
die nicht selbst(genügsam)referentiell werden will, sondern
im Feld zu einem besseren Verständnis sozialer Entitäten
und ihrer Gestaltung beitragen möchte.
Ich werde in diesem Papier die Schmuddelgrenze zwischen Theorie
und Praxis überspringen und nenne das, was ich in/mit der
Praxis mache Action Research (Probst and Raub, 1995) oder Languaging
(von Krogh et al. 1994). Es geht um den Versuch, Kommunikation
zum Thema Wissensmanagement in Organisationen anzustoßen,
mittelfristig eine gemeinsame Sprache zu finden und um die Hoffnung,
damit eine Verbesserung der Selbstbeschreibung des Wissens des
Systems "Unternehmen" zu erreichen. Maßstab der
Verbesserung sind dabei für mich beobachtbare Unternehmensziele.
Ich biete mich als Beobachter zweiter Ordnung an und versuche
die Unterscheidungen, die in bezug auf Wissen in den beteiligten
Organisationen getroffen werden, zu beschreiben und zurückzuspielen.
Ich kann (und will) es mir nicht leisten eine Universaltheorie
(was der Anspruch der Systemtheorie zu sein scheint) über
die Praxis zu stülpen, sondern befrage die Theorie oder ihre
Vertreter, welche ihrer Begriffe uns bei der Beschäftigung
mit "Wissen in Organisationen" weiterhelfen könnten.
Im folgenden werden drei Konstrukte vorgestellt, die in Zusammenarbeit
mit Mitgliedern der geneva knowledge group entwickelt wurden,
um Wissen und Wissensveränderungen von Organisationen so
zu beschreiben, daß sie der Praxis Ansatzpunkte zur Intervention
liefern könnten. Sie stellen gleichzeitig den Entwicklungspfad
meiner "Praxistheorie" dar.
4. Organisatorische Wissensbasis (Konstrukt 1)
Die organisatorische Wissensbasis ist ein Konstrukt, mit dem man
Organisationen - verstanden als zielorientierte soziale Systeme
(Bleicher, 1992; Ulrich, 1968) - und "Wissen" - verstanden
als Ressource des Managementprozesses - zu verbinden sucht. Bestehende
Ansätze (Pautzke, 1989; Schüppel, 1994) arbeiten in
ihren Modellen hauptsächlich mit der Unterscheidung zwischen
individuellem und kollektivem Wissen. Auch für uns bildete
diese Leitunterscheidung den Ausgangspunkt. Diese Entscheidung
wurde stark von der breiten Diskussion um Organisatorisches Lernen
(OL) geleitet, in der OL hauptsächlich als die Fähigkeit
einer Organisation angesehen wurde, individuelles Wissen zu kollektivieren
und in den Entscheidungsarenen der Organisation nutzbar zu machen.
Sie folgt gleichzeitig der Abgrenzung zwischen psychologischen
und soziologischen Bewertungen von Wissensbeständen. Es existiert
ein breiter Konsenz, daß es sich hierbei um zwei Emergenzniveaus
handelt, die allerdings starke Verknüpfungen aufweisen.
Unter Vernachlässigung der Darstellung unserer Abgrenzung
von System/Umwelt soll das erste Modell einer organisatorischen
Wissensbasis und ihrer Transformationsprozesse in groben Zügen
vorgestellt werden soll:
Leitet man aus der Grundunterscheidung individuell/kollektiv ein
Modell der organisatorischen Wissensbasis ab, so ergeben sich
analytisch sechs Transformationsprozesse, die Wissensbestände
oder vereinfacht strukturelle Erwartungen auf der individuellen
(I) oder kollektiven (K) Ebene verändern können.
(1) Wissensänderung durch Kollektivierung (I--> K)
(2) Wissensänderung durch Sozialisierung (K--> I)
(3) Wissensänderung durch Kulturkampf (Ka <--> Kb)
(4) Wissensänderung durch Institutionenbau (Ia <-->Ib)
(5) Wissensänderung durch Eigentransformation eines
Individuums (Lernen)
(6) Wissensänderung durch Eigentransformation eines Kollektivs (Kulturwandel)
Diese Transformationsprozesse knüpfen jeweils an eine breite
Literatur an. Individuelle Transformation, Institutionenbau, Sozialisation,
kollektive Transformation, Kulturkampf und Kollektivierung sind
vielbeschriebene Prozesse, denen teilweise recht mächtige
Beschreibungs-, Erklärungs- und Interventionsmethoden zur
Verfügung stehen.
Dennoch oder gerade wegen der Allgemeinheit der abgeleiteten Prozesse,
die uns die Leitunterscheidung individuell/kollektiv bieten kann,
schien diese Unterscheidung allein, für das, was Praktiker
als "Wissensprobleme" ansehen, nicht hinreichend zu
sein. In Diskussionen mit der Praxis wurde deutlich, daß
die abgeleiteten Prozesse zu allgemeine Ansatzpunkte für
Interventionen liefern würden. Die Austauschbeziehungen zwischen
individuellen und kollektiven Wissensbeständen scheinen schwer
beschreibbar, kaum meßbar und daher erst recht nicht steuerbar.
Die Suche nach "nützlichen" Wissensunterscheidungen
ging also weiter. Die Beschäftigung mit Bateson (Bateson,
1981), Watzlawick (Watzlawick, 1988), Spencer-Brown (Spencer-Brown,
1969) und Luhmann (Luhmann, 1992) führten mich zum Test eines
anderen Modells der organisatorischen Wissensbasis, das "Spielbrett
des Wissens" getauft wurde.
5. Das Spielbrett des Wissens und seine Leitunterscheidungen
(Konstrukt 2)
Bisher habe ich die Definition des Begriffes "Wissen"
vermieden, denn hier liegt natürlich sowohl in praktischer
als auch in theoretischer Sicht der Referenzpunkt jeder Diskussion
über "Wissensmanagement". Um nicht vorzeitig jede
praktische oder theoretische Diskussion abzuschneiden, hält
man sich diese unangenehm-bindende Definition möglichst lange
offen. Wird man in der Praxis zu abstrakt, stiftet man Verwirrung.
Wird man in der Theorie (insb. Systemtheorie) zu konkret, wird
man zum "Alteuropäer", "Pseudosystemiker"
oder "objektverhafteten Steuerungsillusionisten".
Der Begriff des Wissens ist eine widerspruchsvolle Idee, ein Begriff,
der in vielen Gestalten daherkommt und sehr unterschiedlich verstanden
wird. Das hat er mit Begriffen wie "Wert" oder "Freiheit"
gemeinsam. Es ist gerade dieses Undefinierte, Unbestimmte im Begriff
des Wissen, das ihm seine besondere Wichtigkeit und Faszination
verleiht. Wissen ist positiv besetzt. Es zu besitzen ist "gut".
Die Idee, daß ein besserer Umgang mit Wissen für Organisationen
Vorteile hat, braucht nicht weiter begründet zu werden, was
eine Mobilisierung von Organisationsmitgliedern erleichtert. Oder
abstrakter: Der Begriff des "Wissen" scheint ein geeigneter
Anknüpfungspunkt zur Selbstthematisierung und Selbsttransformation
des Systems Organisation. Soweit die Vorteile eines "naiven"
Wissensbegriff.
Für ein systematisches Wissensmanagement muß die Idee
des Wissens allerdings greifbarer gemacht werden ohne gleichzeitig
zu stark zu vereinfachen. Wir brauchen eine offene Definition,
die dennoch eine Beschäftigung mit konkreten Problemen möglich
macht. Für die weitere Diskussion schlage ich folgende Arbeitsdefinition
von Wissen vor: "Wissen bezeichnet verfestigte Erwartungen,
d.h. es bildet eine Struktur, die wir in unseren täglichen
Bewertungen und Handlungen voraussetzen. Streng genommen bezeichnet
Wissen interpretierte Beobachtungen von irgend etwas."
Welche Beobachtungen Individuen und/oder Organisationen machen,
wie sie diese bewerten und wie fest Beobachterperspektiven in
der Praxis verankert sind, läßt diese Definition offen.
Es ist also an uns, zentrale Wissensunterscheidungen zu treffen
und mit diesen Prozesse des Knowledge-Management zu beschreiben
und zu gestalten.
Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Beobachtung
zweiter Ordnung. Für die Identifikation von Wissensstrukturen
benötigen wir einen Beobachter, der diese mithilfe von Unterscheidungen
bezeichnet. Der Beobachter zweiter Ordnung trifft Leitunterscheidungen
in Bezug auf die Qualität von Wissen (Luhmann, 1992). So
unterscheidet er beispielsweise geheimes von öffentlichem
Wissen. Mit der Wahl dieser Unterscheidung sind Festlegungen getroffen,
wird Definitionsmacht ausgeübt (Luhmann, 1992)(74). "Insofern
ist die Wahl einer Leitunterscheidung einerseits ein Indikator
für die kognitive Kapazität des Beobachters, andererseits
aber oft auch eine Versuchung zu Selbstaussagen (hiermit meint
Luhmann die Plazierung des Beobachters auf der "besseren"
Seite der Unterscheidung"; K.R.). In jedem Fall keine triviale
Angelegenheit." (Luhmann, 1992)(75). Während Luhmann
in seiner "Wissenschaft der Gesellschaft" hauptsächlich
mit Hilfe der Leitunterscheidung wahr/unwahr weiterarbeitet, um
die Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystem und ihres Mediums
der "Wahrheit" zu erklären, genügen mir für
meine Überlegungen die Qualitäten, welche ein Beobachter
zweiter Ordnung an "Wissen" attribuieren kann.
Ich stelle die These auf, daß in Organisationen gewisse
Leitunterscheidungen des Wissens besonders intensiv beobachtet
werden, während andere Beobachtungen schlicht unterlassen
werden und damit in der Eigenbeschreibung der Organisation nicht
vorkommen. Dieses "Set verwendeter Unterscheidungen ist (...)
recht stabil, da es mit den beobachteten Umwelten korreliert".
Dies mag in einer gegebenen Situation auch sinnvoll sein (n-dimensionale
"Wissensräume" können nicht (gleichzeitig)
beobachtet und/oder gar gesteuert werden), führt aber in
vielen Fällen zu einer frühzeitigen Verengung des Handlungsspielraumes
im Umgang mit organisatorischem Wissen.
Im folgenden werden einige mögliche - mir sinnvoll erscheinende
- Leitunterscheidungen organisatorischer Wissensbestände
vorgestellt. So ergeben sich beispielsweise aus der Unterscheidung
geheim vs. öffentlich die Transformationsprozesse Öffnung
und Geheimerklärung. Wie diese Prozesse gestaltet werden
können wird jeweils durch "down-to-earth"-Interventionen
aus der Organisationspraxis verdeutlicht.. Das "Spielen"
mit Leitunterscheidungen liefert mir dabei verschiedenste Perspektiven
auf die organisatorische Wissensbasis und betont jeweils eine
Wissensqualität, die Ursache der zu "lösenden"
Wissensprobleme der Organisation sein könnte. Daher nenne
ich dieses Konstrukt das "Spielbrett des Wissens".
Die mangelhafte Steuerung von Wissensprozessen, die durch diese
Leitunterscheidungen beschrieben werden, scheint in der Praxis
der Auslöser vielfältiger Probleme im Umgang mit Wissen
zu sein. So schlägt die Leitunterscheidung internes/externes
Wissen eine systematische Auseinandersetzung mit Prozessen der
Wissensaufnahme (externes Wissen wird zu internem Wissen)
aus der Organisationsumwelt und der Wissensabgabe (internes
Wissen wird zu externem Wissen) vor. Beide Prozesse können
zur Erreichung gewisser Ziele funktional oder dysfunktional sein.
Das Verständnis der Prozesse ist für ihre Gestaltung
allerdings von zentraler Bedeutung.
Leitunterscheidungen konzentrieren sich also auf "wesentliche"
Aspekte im Umgang mit Wissen, also auf "distinctions that
make a distinction". Sie liefern alternative Beobachtungsstandpunkte
auf organisatorische Wissensbestandteile. Der Auswahl der im folgenden
vorgestellten Leitunterscheidungen ging eine Suche nach Gegensatzpaaren
in der Literatur voraus. Gleichzeitig führten eigene Überlegungen
zur Konstruktion "plausibler" Unterscheidungen.
Im folgenden sollen sechs Unterscheidungen exemplarisch vorgestellt
werden. Diese bilden keinen "fertigen" Interventionsrahmen,
sondern sollen eine Basis für Diskussionen von Konzepten
des Wissensmanagement in der Unternehmenspraxis bilden. Die folgende
Darstellung der Leitunterscheidungen und der Prozesse, die von
einer Seite der Unterscheidung zur anderen führen, wurde
daher auch zur Präsentation vor Praktikern konzipiert und
mit möglichst eingängigen Beispielen unterlegt. Die
Fähigkeit einer Organisation, die im folgenden unterschiedenen
Wissensqualitäten zu verändern, bezeichnet demnach ihre
Fähigkeit, gezielte Interventionen in ihre organisatorische
Wissensbasis vorzunehmen.
Unterscheidung 1: geheimes/öffentliches Wissen
Prozeß 1: Öffnung (geheim--> öffentlich): Wissen, das z.Zt. gegen außen oder gegen innen als "geheim" deklariert wurde, wird in der Vertraulichkeitsbewertung zurückgestuft.
Interventionen: Stasi-Akten werden zugänglich gemacht,
Zugangsberechtigung zu Unternehmensbereichen oder Datenbereichen
der Organisation wird erteilt, Betriebsbesichtigungen werden erlaubt.
Prozeß 2: Geheimerklärung (öffentlich--> geheim): Der Kreis, dem bestimmte Wissensarten zugänglich sind, wird verkleinert
Interventionen: Dokumente erhalten den "Geheim"--Stempel;
Abbruch des Austausches von physikalischem Wissen zur Atomspaltung
während des zweiten Weltkrieges (Manhattan-Projekt). Verringerung
der Zugriffsmöglichkeiten auf Firmendaten.
Unterscheidung 2: implizites/explizites Wissen
Prozeß 1: Explizierung (implizit--> explizit): Implizites Wissen, das im Verborgenen/Vorbewußten, das Verhalten von Individuen oder Organisationen beeinflußt oder steuert, wird sichtbar gemacht.
Interventionen: Pizzabäcker wird bei der Arbeit beobachtet,
um seine(automatisierte) Knettechnik, die er selbst nicht verbalisieren
kann und den Teig besonders knusprig macht, zu enträtseln;
Entwicklungsingenieur versucht zu erklären, wie das Schließgeräusch
eines Mercedes klingen muß, wie das Interieur zu riechen
hat, um den Wagen zu einem "typischen" Mercedes zu machen;
Entschlüsseln geheimer Spielregeln (Scott-Morgan, 1994).
Prozeß 2: Internalisierung (explizit--> implizit): Explizites Wissen der Organisation wird auf das Individuum übertragen ("embodying of knowledge"). Dieses "Learning by doing" verfestigt sich mit der Zeit und wird so normal, daß es für den Einzelnen schwer re-explizierbar wird
Interventionen: Dem "Rookie" werden in seiner
Einarbeitungsphase Dokumente, Organigramme, Manuals etc. gezeigt
und die "wesentlichen" Erwartungen und Regeln vermitteln
ihm "Altgediente" über Anekdoten und konkrete Handlungsempfehlungen
(Krawatte = rot).
Unterscheidung 3: relevantes/irrelevantes Wissen
Prozeß 1: Entmächtigen (relevant--> irrelevant): Wissen, das in der Vergangenheit als relevant galt und dem besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wird in seiner Bedeutung für die Organisation zurückgestuft.
Interventionen: Vertreter alter Methoden, Denkstile oder
Wissensbestände werden zurückgestuft oder entlassen;
der Chefarzt der Wöchnerinnenstation eines Krankenhauses,
unter dessen Verantwortung 50% aller Geburten mit operativen Eingriffen
verbunden waren, wird durch einen Vertreter der "sanften
Geburt" ersetzt; die neue Beförderungsrichtlinie der
Administration eines Krankenhauses stärkt die Bewertungskriterien
"Kommunikation" und "Internationalität zulasten
von "analytische Fähigkeiten und "Fachkompetenz";
notorische Bremser des Wandels werden entmächtigt; Mathematik
wird aus den Aufnahmeprüfungen der Grandes Ecoles gestrichen.
Prozeß 2: Ermächtigen (irrelevant--> relevant):Wissen, das bisher keine besondere Bedeutung für die Organisation hatte, wird vermehrte Aufmerksamkeit gewidmet und wird in seiner Bedeutung für die Organisation aufgewertet.
Interventionen: Der neue Produktionschef kommt aus dem
Marketing; die Organisation beteiligt sich am Forum für Organisationales
Lernen und Wissensmanagement; die Forschungsschwerpunkte eines
Chemieherstellers werden von der Chlortechnologie zur Gentechnik
verlagert; neue Schlüsselqualifikationen für Karriere
werden transparent gemacht (z.B. Beherrschung von E/F/D= Muß)
Unterscheidung 4: wahres/unwahres Wissen
Prozeß 1: Widerlegen (wahr--> unwahr): Geltendes, "wahres" Wissen wird durch Argumente, Macht oder andere Instrumente zu "unwahrem" Wissen gemacht.
Interventionen: Die Aussage des CEO ("Unsere Kunden
sind zufrieden") wird durch eine Marktstudie widerlegt; die
Aussage eines Kundschafters an der Kriegsfront ("Der Feind
ist viel stärker als vermutet"), wird vom kommandierenden
General unter Berufung auf geheime Zusatzinformationen als unwahr
bezeichnet; ein Kollege wird der Lüge überführt
--> seine bisherigen Aussagen sind nun im Zweifel als unwahr
zu bewerten ("wer einmal lügt, dem glaubt man nicht,
auch wenn er doch die Wahrheit spricht").
Prozeß 2: Beweisen (unwahr--> wahr): Nicht geltendes Wissen wird durch Experimente, Erfolge oder Macht zu "wahrem" Wissen gemacht.
Interventionen: Wissenschaftler, dessen Projekt intern
"abgesägt" wurde, forscht auf eigene Faust und
"beweist" so seine Theorie; eine unkonventionelle Werbekampagne
hat wider Erwarten großen Erfolg; ein neues wissenschaftliches
Paradigma setzt sich durch und macht paradigma-konforme Beiträge
zitierbar.
Unterscheidung 5: zugängliches/unzugängliches
Wissen
Prozeß 1: Zugang verlieren (zugänglich-->unzugänglich): Die Organisation verliert die Zugriffsmöglichkeit auf bestimmte Wissensbestände.
Interventionen: Ein Virus zerstört wichtige Steuerdateien,
mit denen in der Vergangenheit auf die Kundendaten zugegriffen
wurde; ein Mitarbeiter, der durch seine persönlichen Kontakte
"viele Türen geöffnet hat, stirbt; eine Organisation
kappt alle Schnittstellen mit Internet-Servern.
Prozeß 2: Zugang gewinnen (unzugänglich-->zugänglich): Die Organisation verschafft sich Zugang zu Wissensbeständen, auf welche sie in der Vergangenheit keinen Zugriff hatte.
Interventionen: Vermehrtes politisches Lobbying führt
zur frühzeitigen Kenntnis von Gesetzesentwürfen und
ihren Aussichten; die landesweite Vernetzung von Bibliotheken
verschafft vielen Studenten schlecht ausgestatteter Universitäten
den Zugang zu spezieller Fachliteratur; die Einschleusung eines
Agenten ins russische Verteidigungsministerium ermöglicht
den Amerikanern den Zugriff auf bisher geheime Pläne.
Unterscheidung 6: computer-resident/not-computer resident
knowledge
Prozeß 1: Löschung (computer-resident--> not-computer resident): Daten (Wissen?) werden aus dem Computersystem gelöscht.
Interventionen: Aus Datenschutzgründen werden gewisse
vertrauliche Informationen über Mitarbeiter vom Computer
gelöscht und wieder per Akte geführt; ein Virus formatiert
die Festplatte mit meinen Dissertationsdateien; aus Platzgründen
löscht ein Mitarbeiter die Kundenkorrespondenz der Jahre
1975-1985 ohne eine Sicherheitskopie zu machen;
Prozeß 2: Speicherung (computer-resident--> not-computer resident): Daten (Wissen?), das noch nicht auf einem Computer gespeichert ist, wird ins Computersystem eingespeist
Interventionen: Ein von der Konkurrenz abgeworbener Mitarbeiter
bringt uns 50 Gigabyte Konstruktionspläne mit; alle "kritischen
Telephongespräche" mit Kunden werden automatisch digital
abgespeichert; zur Einführung der neuen Personalverwaltungssoftware
"Executive Track" werden alle wichtigen Personaldaten,
die bisher international verstreut und in unterschiedlichen Formen
(mündlich, schriftlich, digital) vorlagen, zusammengeführt
und in ein zentrales System überführt.
Hier sollen nicht alle von mir durchdachten Leitunterscheidungen
im Detail vorgestellt werden. Weitere "sinnvolle"(?)
Leitunterscheidungen und ihre Veränderungsprozesse seien
daher im Kurzdurchgang vorgestellt:
autorisiertes vs. nicht autorisiertes Wissen (Entautorisierung/Autorisierung)
bewahrtes vs. neu gewonnenes Wissen (Weiterentwicklung/Sicherung)
codable vs. non-codable knowledge (Entkodierung/Kodierung)
formelles vs. informelles Wissen (Informalisierung/Formalisierung)
herrschendes vs. Minderheitswissen (Entmachtung/Ermächtigung)
individual vs. collective knowledge (Kollektivierung/Sozialisierung)
kommunikables vs. inkommunikables Wissen (Verriegelung/Entriegelung)
narratives vs. wissenschaftliches Wissen (Systematisieren/Illustrieren)
natürliches vs. künstliches Wissen (Verfremden und Abstrahieren/Beleben und Veranschaulichen)
personal vs. public knowledge (Bereitstellen/Individualisieren)
speicherungswertes vs. nicht-speicherungswertes Wissen (Vergessen/Aufarbeiten)
tacit vs. public knowledge (Offenlegen/Schützen)
universales vs. partikulares Wissen (Auf Einzelfall anwenden/Verallgemeinerung)
Wissen vs. Gegen-Wissen (Ausgrenzen/Einbinden)
Wissen vs. Nicht-Wissen (Vergessen/Lernen)
Der Test geeigneter Leitunterscheidungen zur Strukturierung von
Kommunikation über "Wissensprobleme "muß
in der Praxis erfolgen. Je nach "Wissensproblem" müssen
verschiedene Beobachterperspektiven getestet werden.
Das "Spielbrett des Wissens" soll in der Zukunft mit/in
der Praxis getestet werden. Dabei scheint insbesondere der methodische
Einstieg in das Thema wichtig. Soll man sich mit Rollenspielen,
als Berater oder mit internen Wissensprojekten den neuen Perspektiven
auf die organisatorische Wissensbasis nähern? Die Abwehrreaktionen,
der durch "Buzzwords" aller Art genervten Organisationspraxis,
dürfen dabei nicht unterschätzt werden.
6. Die Phasen/Bausteine des Wissensmanagements (Konstrukt 3)
Wenn ich davon ausgehe, daß die Idee des Management, d.h.
die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung (Bleicher, 1992; Ulrich,
1968) von Systemen, keine reine "illusion of control",
sondern in Grenzen fruchtbar ist, können wir uns einen Prozeß
des Wissensmanagements konstruieren. Achtung, ein Phasenmodell
des Wissensmanagement soll nicht die generelle Machbarkeit von
Wissensmanagement unterstellen, sondern ist ein Analyseraster,
mit dem ich wichtige Prozesse zum Management von Wissen in Organisationen
in den Blick bekommen kann.
Die Übertragung des Managementkreislaufes auf Wissensfragestellungen
liefert uns die Phasen oder Bausteine des Wissensmanagements.
Hier können ausgehend von Wissenszielen (P1) Prozesse
der Wissensidentifikation (P2), der Wissensentstehung/-erwerbes
(P3), der Wissens(ver)teilung (P4), der Wissensspeicherung (P5),
der Wissensnutzung (P6) und der Wissensbewertung (P7) unterschieden
werden. Die Funktionalität einzelner Bausteine wird gleichzeitig
auf der Metaebene beobachtet (P8).
Ich gehe davon aus, daß viele Vorgänge, die von der
Organisation und ihren Mitgliedern als "Wissensprobleme"
bezeichnet werden, entstehen, weil der Wissenskreislauf der Organisation
nicht geschlossen ist. Einzelne oder mehrere Phasen werden oft
gar nicht oder nur mangelhaft durchlaufen. So können klare
Wissensziele (P1) im Bereich des Marketings formuliert worden
sein (Erwartungen der Kunden sollen expliziert werden) und es
werden "typische Kunden/Wissensträger" identifiziert
(P2). Doch das verändertes Kundenverhalten (P2) wird von
der Marktforschung nicht an die Produktmanager weitergeleitet
(P3), obwohl diese über ein hervorragendes Kundeninformationssystem
verfügen (P4). Dies führt beim nächsten Kundenkontakt
(P5) zu peinlichen Mißverständnissen. Obwohl sich diese
Pannen wiederholen, "lernt" die Organisation nicht,
da geeignete Feedback-Systeme fehlen (P6). Auf der Metaebene werden
die einzelnen Bausteine des Wissensmanagement nur isoliert betrachtet,
statt auf ihre gegenseitige Abhängigkeiten zu achten (P8).
Dies führt zu isolierten Verbesserungsansätzen, die
scheitern müssen.
Dieses Modell wurde mit Firmenvertretern an Hand von Leitfragen,
die für jede Phase entwickelt wurden, diskutiert. Dabei wurden
konkrete Problem mit Hilfe des Phasenmodelles analysiert. Meine
Beobachtungen ergaben, daß die Praxis mit diesem einfachen
Modell etwas anfangen kann. Es unterstützt die Eigenreflektion,
fügt bisher isolierte Teile zusammen, erfaßt die Situation
in seiner Vernetzung und scheint instrumentell als auch kommunikativ
anschlußfähig zu sein. Es erfordert die Verständigung
über kritische, wichtige Wissensbestände, welche die
Organisation in der Zukunft besonders gestalten, lenken und entwickeln
will und liefert eine Verbindung zur Unternehmensstrategie. Gleichzeitig
erleichtert es die Thematisierung dysfunktionaler organisatorischer
Routinen.
Größere Schwierigkeiten ergibt die Frage nach der organisatorischen
Verankerung des Knowledge-Management-Prozesses. So liegen die
Verantwortlichkeiten für die einzelnen Phasen selten in denselben
Händen, geschweige in denselben Abteilungen oder Funktionsbereichen.
"Wissensprobleme" machen selten vor internen Abteilungsgrenzen
halt und so wandert man auf der Suche nach dem Integrator der
Wissensphasen die Hierarchieleiter nach oben und findet sich schnell
auf der Ebene der strategischen Planung oder Organisationsentwicklung
wieder.
Die Diskussion des Konzeptes mit den Personalverantwortlichen
eines großen Schweizer Industriekonzerns ergab, "daß
Wissensmanagement nicht als eigenständiges Thema in der Organisation
verankerbar sei, sondern sich an andere Projekte koppeln muß
(z.B. TQM- oder Reengineering-Projekte)", über die Relevanz
des Themas für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
war man sich allerdings einig. Mit Hilfe des Phasenmodells konnten
"wissensbezogene Aktivitäten" wie z.B. die Informationspolitik
des Vorstandsvorsitzenden analysiert und bewertet werden.
Obwohl mir die hier vorgestellten Phasen/Bausteine des Knowledge-Management
zunächst selbst zu mechanistisch erschienen, bilden sie zur
Zeit für mich den besten Zugang zur Unternehmenspraxis und
können die erhofften Selbstbeschreibungsprozesse ein Stück
weit auslösen. Sollten sich auf diesem Wege "Problemcluster"
ergeben, die auch in der Praxis als eigenständige Themen
gesehen werden, so würde man sich den (oft noch zu abstrakten)
Einstieg ins Thema weiter vereinfachen.
7. Fazit
Diese Arbeit hat versucht, einen Einblick in die Möglichkeiten
und Grenzen der Intervention in die organisatorische Wissensbasis
zu vermitteln. Vieles ist angedacht, manches hat sich zu Konstrukten
verdichtet und einige dieser "Interventionskonstrukte"
haben die ersten Kontakte mit der Praxis hinter sich. Meine "Wissensbaustelle",
auf der im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis verschiedene
Ideen miteinander ringen, wird sich weiter verändern. Die
Rolle der Systemtheorie bleibt dabei unscharf. In der Auseinandersetzung
mit ihr hat sich zwar der Umgang mit den Begrifflichkeiten des
Wissensmanagements geschärft, aber es bleibt unklar inwiefern
die Systemtheorie auch Gedanken des Themas theoretisch fundieren
kann? Und vor allem: Was mache ich mit ihren Gedanken in der
Praxis?
Den Abschluß der Arbeit bilden zwei Thesenpapiere. Zwei Thesenpapiere, weil diese Arbeit eigentlich zwei Themenbereiche hat: (1) Systemtheorie und Praxis und (2) die Vorstellung von Konstrukten des Knowledge-Management. So schließt sich an die "Thesen zum Verhältnis von Systemtheorie, Knowledge-Management und Praxis", während den Schluß der Arbeit "Thesen zur Intervention in die organisatorische Wissensbasis (Knowledge-Management)" bilden.
These 1: Organisationstheorie ist kein Selbstzweck, sondern
sollte Theorien für die Praxis entwickeln (Nichts ist so
praktisch wie eine gute Theorie)
These 2: In der Praxis besteht ein Bedarf nach Konzepten
des Knowledge-Management
These 3: Die Sprache und Ideenwelt der Systemtheorie ist
selbst für interessiert-begabte Akademiker eine Quelle permanenter
Mißverständnisse und erfordert enorme Investitionen
(Zeit, Energie, Auseinandersetzung)
These 4: Systemtheoretische Ansätze zur Behandlung
von Wissen in Organisationen werden von der Praxis nicht verstanden
und werden auch in der Zukunft von der Praxis nicht verstanden
werden.
These 5: Die Beiträge der Systemtheorie müßten
in eine anschlußfähige Praxissprache übersetzt
werden, um ihre Ideen zu vermitteln.
These 6: Diese anschlußfähige Praxissprache
existiert noch nicht.
Pessimistisches Fazit: Systemtheoretische Gedanken
können nicht in die Managementpraxis rückübersetzt
werden, ohne die reine Lehre zu verletzen. Systemtheorie und Intervention/Management
schließen sich gegenseitig aus.
Folge 1: Die Systemtheorie bleibt isoliert und überläßt
anderen, leichter zugänglichen Interventions-
und Erklärungsansätzen in der Unternehmenspraxis das
Feld.
Folge 2: Die Systemtheorie hat innerhalb einer Betriebswirtschaftslehre
oder Managementtheorie keinen Beitrag zu leisten, da sie die Möglichkeit
der zielgerichteten Gestaltung, Steuerung und Entwicklung sozialer
Systeme negiert
Folge 3: Die Systemtheorie leistet keinen fruchtbaren Beitrag
für irgend eine Praxis und könnte langfristig zu einem
Dogma verkommen, das, sofern es sich nicht an Universitäten/Lehrstühlen
verankern kann, langfristig untergeht.
Optimistisches Fazit: Einzelideen der Systemtheorie
können in die Managementpraxis rückübersetzt werden
und dort Handelnden bei ihrem Bemühen um zielgerichtete Interventionen
in soziale Systeme bzw. die organisatorische Wissensbasis helfen.
Die reine Lehre darf dabei nicht der Maßstab sein, sondern
vielmehr die Nützlichkeit der Ideen für die Probleme
der Organisationspraxis.
Folge 1: Die Systemtheorie öffnet sich und konkurriert
mit den anderen Theorien um Einfluß auf das tägliche
Interventionsverhalten von Praktikern
Folge 2:Die Systemtheorie bemüht sich in einer verständlichen
Sprache ihre abstrakten Ideen so zu vermitteln, daß die
Praxis einen Nutzen davon hat.
Folge 3: Bei der Beschäftigung mit organisatorischem
Wissen können Ideen der Systemtheorie wie "Beobachtung",
"Selbstreferenz", "Emergenz", "funktionale
Binnendifferenzierung", individuelle und systemische Identität",
"Leitunterscheidungen", "Kontingenz" oder
"Steuerungsmedien" von Nutzen sein. Sie machen auch
neben "Machbarkeitsbegriffen" wie Management, Strukturgestaltung
und Personalentwicklung oder psychologischen Begriffen wie "Rolle"
oder "Identität" Sinn.
These 1: Der bewußte Umgang mit Wissen wird für
Organisationen zu einem zentralen Erfolgsfaktor im sich verschärfenden
Wettbewerb der Wissensgesellschaft
These 2: Bestehende Ansätze des Organisatorischen
Lernens und Wissens-Management stoßen in der Praxis auf
Probleme bei der organisatorischen Verankerung.
These 3: Organisationen sollten einen Teil ihrer Selbstthematisierungs-Kapazitäten
auf ihren Umgang mit individuellen und kollektiven Wissensbeständen
lenken.
These 4: Diese Selbstthematisierung dient der Entschlüsselung
individueller und kollektiver struktureller Erwartungen sowie
die Art ihrer gegenseitigen Abhängigkeiten. Diese sind im
Sinne eines "Knowledge-Management" in Grenzen beeinflußbar.
These 5: Ansatzpunkte der Selbstthematisierung auf individueller
wie kollektiver Ebene können Strukturierungshilfen wie die
vorgestellten Konstrukte 1 bis 3 darstellen.
These 6: In Organisationen sind gewisse Leitunterscheidungen
von Wissen dominant. An diese "herrschenden Themen"
können Kommunikationen und Handlungen über Wissen anschließen.
These 7: Die Veränderung herrschender Themen ist eine
Intervention in die organisatorische Wissensbasis und ist für
einen Beobachter zweiter Ordnung beschreibbar.
These 8: Das "Spielbrett des Wissens" stellt
alternative Wissensqualitäten vor, die zu einer "passenderen"
Selbstbeschreibung der Organisation führen können und
ordnet diesen Interventionsansätze zu.
These 9: Das "Phasenmodell des Wissensmanagements"
eignet sich, um isolierte Wissensprozesse zu integrieren und um
Störungen des Wissensflusses zu verstehen.
These 10: Das ausgefeilteste Interventionsmodell muß scheitern, wenn es nicht in einfacher Sprache an Problemstellungen der Praxis anschließt.
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